[HBF] Hefessimilation

marcus.schmitz at web.de marcus.schmitz at web.de
Fre Dez 6 21:52:37 CET 2002


Hallo Gregor, Hi zusammen!

Vor einiger Zeit hatte ich hier mit Gregor mehrfach hin- und her gemailt, weil ich an seiner Methode Hefe herzuführen etwas auszusetzen hatte. 
Es ging darum, ob man das Hefesediment von Wyeast-Hefe direkt zum Anstellen hernehmen sollte, oder ob es sinnvoller ist, den Überstand ein- oder 
mehrmals zu dekantieren und das Sediment zu verwerfen.

Nachdem wir beide unseren Knallkopf bewiesen haben, habe ich zum einen ein Experiment gestartet und zum anderen auf der Brau in Nürnberg am 
Brouwland-Stand mit dem Chef(??? hab' ich wenigstens so verstanden) von Wyeast einen kurzen und leicht gestotterten englischen Schnack gehalten. 
Resultat der Unterhaltung: Beim Ale-Brauen ist das Dekantieren sinnlos und erbringt geschmacklich keinerlei Vorteile (und um den Geschmack geht es uns ja 
und um nichts anderes), bei Lagerbieren eigentlich auch nicht, aber wenn man es irgendwo schmecken können sollte (rheinischer Konjunktiv = absolut 
unmöglich), dann eventuell (siehe vorne) hier.

Punkt eins, unterstreicht also Gregors Meinung.

Punkt zwei (unterstreicht im konkreten Fall auch Gregors Meinung): Ich habe mir ein Mikroskop ausgeborgt und Methylenblau-Lösung besorgt (Vitalfarbstoff, 
färbt nur tote Zellen blau an). Dann habe ich mal die Erntehefe meines letzten Weissbiersudes neu angestellt und hergeführt. Da ich das ganze nicht so richtig 
ernsthaft verfolgt habe und es sicht um og. Hefe handelt, habe ich den Zeitpunkt der Hochkräusen nach ca. 24 h um einen Tag verpasst (aber in diesem Fall 
genau das Szenario, das Gregor geschildert hatte). Die Hefezellen habe ich nicht mit Thomazählkammer ausgezählt, weil ich keine habe, sondern einfach nur 
ein paar Gesichtsfelder betrachtet. Ergebnis: Im Überstand befanden sich nach 48 h kaum noch Hefezellen und dann auch noch recht viele tote, blaue Hefe 
(ca. 50:50) im Sediment (bis auf einen Zentimeter abgegossen und dann durchgeschüttelt) war die Zellzahl deutlich höher (mindestens 1:100) und die 
Zellzahl lebend zu tot betrug etwa(!) 50:30.
Da kommt wieder der Narziß, den ich nicht gut genug kenne, ins Spiel: Der Auftrieb der og. Hefe setzt bei geringer Flüssigkeitssäule im Labor nicht ein(Abriß, 
6. Auflage, S. 349, "Gärungsbild").

Dann habe ich beide Gefäße noch zwei Tage weitergären lassen und im Kühlschrank bei ca. 2 °C sedimentiert: Jetzt, also nachdem die Überstand-Hefe Zeit 
hatte sich zu vermehren, sahen die Ergebisse wie folgt aus:

Absolute Menge von sedimentierter Hefe immer noch im Sediment-Kolben deutlich höher.  Verhältnicht ca. 1:5 bis 1:10. Aber jetzt war das Verhältnis lebend 
zu tot im abgeschütteten Überstand viel besser als in der nicht abgeschütteten  Hefe (ca. 5:1 bis 10:1). Außerdem habe ich das Jungbier noch verkostet: Das 
abgeschüttete und wieder vergorene Karamalz war trinkbar, wenn auch nicht lecker, das Sediment bzw. das Bier über dem Sediment schmeckte ganz 
deutlich nach der abgeschöpften Hefedecke. 

Resultat: Will man also seine Hefe ernten ist ein Abheben der Decke vor der Decke anzuraten. Zum Reinigen der Erntehefe ist ein einmaliges Dekantieren 
sehr gut geeignet. Will man direkt mit der maximalen Menge lebender Zellen anstellen, ergibt das Sediment bzw. nicht abgezogene Jungbier höhere absolute 
Lebendzellzahlen. Hat man aber zwei oder drei Herführungsstufen Zeit, verbessert sich das Verhältnis lebend zu tot deutlich und evtl. mitgeerntete 
Hopfenharze werden gut abgetrennt allerdings kommt man nicht unbedingt auf eine so hohe Hefemenge wie im anderen Fall.

Das Mikroskop hatte sogar ein Projektiv für eine Videoamera, aber leider erkennt man auf den Digitalbildern meiner Knipse nicht viel, nur Schemen, aber 
wen's interessiert: Mail an mich genügt und zwei 700KB-Bilder landen in der Mehlbox.

Den Versuch werde ich mal mit dem nächsten Originalpack Wyeast-Hefe fortsetzen und mit einer selbstgeernteten Ale-Hefe, bei der ich vorher die Decke 
mehrfach abgehoben hatte, wiederholen. Dann nehme ich mir auch mal die Zeit und Zähle wirklich ein wenig genauer und versuche die Hochkräusen zu 
erwischen. Wenn's Euch interessiert, schreibe ich nochmal ein paar Zeilen dazu.

Gruß und Prost

Marcus