[HBF] Diacetylverkostung

Dr. Rupert Wimmer rupert.wimmer at sbg.at
Mit Mai 1 19:12:23 CEST 2002


G'day brewers,

nachdem ich nun schon eine Zeit lang dieses forum beobachte, muss ich auch
mal was posten. Vor einem Jahr habe ich nach Hubert's Buch das Heimbrauen
angefangen und zwischenzeitlich werden die Biere hier in Salzburg (Kuchl)
ganz annehmbar (kein Überschäumen mehr,...). Vor kurzem hatte ich die
Gelegenheit, Hubert Hanghofer bei einem Brauseminar im Medl-Bräu live zu
erleben und er meinte zum Abschluss, dass Heimbrauer häufig um die 40 sind,
wenn sie anfangen. Das würde auch auf mich zutreffen (bin 41).

Eine Frage: Ich hatte letzten Samstag nur einen halben Tag zum Brauen und
der Maibock aus Huberts Buch stand am Programm. Dieses Münchner
Zweimeischverfahren nahm mehr Zeit in Anspruch als geplant und dann kam ich
in grosse Zeitnot, da um 13 Uhr eine Hochzeit am Kalender stand.
Schliesslich entschloss ich mich, das Würzekochen vorzeitig (ca. 30 Minuten)
abzubrechen, nach Hopfenseien den Sud sofort runterzukühlen und mit der Hefe
zu versetzen (mein Sudkessel hat 25 Liter). Eine Beobachtung bei der
laufenden Gärung ist, dass ich von den Krausen wesentlich mehr Hopfenharze
als sonst abschöpfe.

Meine Frage ist, welche Probleme durch eine kurze Kochzeit entstehen können
? Das Jungbier schmeckt soweit hervorragend (Spindel brachte 15 Grade P),
aber das sagt ja nach den interessanten Ausführungen von Marcus nicht viel.
Kann es sein, dass ich bei zu kurzer Kochzeit schlussendlich eine höhere
Konzentration von üblen Geschmackstoffen im Bier (e.g. Dimethylsulfid),
schlechtere Schaumbildung oder sonstwas habe ?

Happy brewing
Rupert




-----Original Message-----
Marcus Schmitz schrieb:


Hallo zusammen,

es tut mir leid, aber ich muss leider ein wenig klugscheißen...

Hubert hat geschrieben:

>Oft wird die Reifung in Form einer sogenannten Diacetylrast sogar bei=20
>Temperaturen =FCber Hauptg=E4rtemperatur durchgef=FChrt. Wie dem auch sei=
>, der=20
>Endpunkt der Reifung ist durch regelm=E4=DFige Verkostung des Jungbieres =
>leicht=20
>erkennbar. Allerdings sollte man die Jungbierprobe auf Raumtemperatur=20
>erw=E4rmen, weil sich dann das butterige Jungbieraroma kr=E4ftiger entwic=
>kelt.

Hallo Hubert,

da sitzt Du leider einem Irrtum auf, der auch in den Profi-Brauereien nicht
ganz unbekannt ist:

Die Hefe gibt Acetolactat in das gärende Jungbier ab. Dort erfolgt eine
Decarboxylierung zu Diacetyl und CO2. Jetzt kommt wieder die Hefe beim
Reifungsvorgang ins Spiel: Sie nimmt das
Diacetyl auf und reduziert es, wobei im ersten Schritt Acetoin und dann
Butandiol (keine geschmacklichen Probleme!) entsteht.
Die Verkostung kann bei der Diacetylkonzentration nicht zuverlässig
funktionieren, weil die Decarboylierung des Acetolactats der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Rk'.en ist.
Das bedeutet, wenn Du verkostest, schmeckst Du nur die momentane
Diacetylkonz., dann setzt sich die Hefe ab, setzt kein Diacetyl mehr um und
das verbleibene Acetolactat, das Du nicht
geschmeckt hast, reagiert weiter zu DIA, das nicht mehr abgebaut wird. Daher
wird bei der analytischen Bestimmung des DIAs zuerst eine Umwandlung des
Acetolactats bei 60 oder 65 °C
durchgeführt (Gesamtdiacetyl). Vielleicht geht das auch zuhause: 60 min bei
60°C halten, abkühlen und verkosten.

Allg. zur Reifungsdauer:
Je niedriger das pH und je höher die Temperatur, desto schneller die
Reifung.
Zum anderen ist das Maximum der Diacetylkonzentration und damit auch die
Reifungsdauer auch ein Charakteristikum der Heferasse und abhängig von
FAN-Ausstattung und Zinkgehalt der
Würze.

Einen ähnlichen Effekt gibt es übrigens auch beim Würzekochen, obwohl das
bei unseren Gefäßgrößen und den damit verbundenen
Inhalt-zu-Oberfläche-Verhältnissen und den noch recht
konservativen Kochzeiten von über einer Stunde keine Probleme machen sollte:
Das Dimethylsulfid (kurz DMS, Geruch ekelig nach gekochtem Sellerie)
existiert in der Würze auch als freies DMS (riechbar und leicht auskochbar)
und als Vorläufersubstanz. Beendet man die
Würzekochung jetzt zu früh (noch Vorläufer vorhanden) und hält die Würze
dann zu lange heiß, ohne dass eine starke Ausdampfung erfolgt, dann bildet
sich (zum Beispiel bei der
"Whirlpoolrast") DMS nach, das dann nicht mehr ausgedampft werden kann und
den Geschmack wirklich übel versaut (hab ich mal in einer kleinen
Hausbrauerei im Südosten von München
erleben dürfen). Zum Selbermachen von DMS: Würze offen (!) bei ca. 40 °C
stehen lassen. Eine Infektion mit Würzebakterien erzeugt dann auch das
typische Sellerie-Aroma. Lecker!