[HBF] Diacetylverkostung

marcus.schmitz at web.de marcus.schmitz at web.de
Die Apr 30 19:48:15 CEST 2002


Hallo zusammen,

es tut mir leid, aber ich muss leider ein wenig klugscheißen...

Hubert hat geschrieben:

>Oft wird die Reifung in Form einer sogenannten Diacetylrast sogar bei=20
>Temperaturen =FCber Hauptg=E4rtemperatur durchgef=FChrt. Wie dem auch sei=
>, der=20
>Endpunkt der Reifung ist durch regelm=E4=DFige Verkostung des Jungbieres =
>leicht=20
>erkennbar. Allerdings sollte man die Jungbierprobe auf Raumtemperatur=20
>erw=E4rmen, weil sich dann das butterige Jungbieraroma kr=E4ftiger entwic=
>kelt.

Hallo Hubert,

da sitzt Du leider einem Irrtum auf, der auch in den Profi-Brauereien nicht ganz unbekannt ist:

Die Hefe gibt Acetolactat in das gärende Jungbier ab. Dort erfolgt eine Decarboxylierung zu Diacetyl und CO2. Jetzt kommt wieder die Hefe beim Reifungsvorgang ins Spiel: Sie nimmt das 
Diacetyl auf und reduziert es, wobei im ersten Schritt Acetoin und dann Butandiol (keine geschmacklichen Probleme!) entsteht.
Die Verkostung kann bei der Diacetylkonzentration nicht zuverlässig funktionieren, weil die Decarboylierung des Acetolactats der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Rk'.en ist.
Das bedeutet, wenn Du verkostest, schmeckst Du nur die momentane Diacetylkonz., dann setzt sich die Hefe ab, setzt kein Diacetyl mehr um und das verbleibene Acetolactat, das Du nicht 
geschmeckt hast, reagiert weiter zu DIA, das nicht mehr abgebaut wird. Daher wird bei der analytischen Bestimmung des DIAs zuerst eine Umwandlung des Acetolactats bei 60 oder 65 °C 
durchgeführt (Gesamtdiacetyl). Vielleicht geht das auch zuhause: 60 min bei 60°C halten, abkühlen und verkosten.

Allg. zur Reifungsdauer:
Je niedriger das pH und je höher die Temperatur, desto schneller die Reifung.
Zum anderen ist das Maximum der Diacetylkonzentration und damit auch die Reifungsdauer auch ein Charakteristikum der Heferasse und abhängig von FAN-Ausstattung und Zinkgehalt der 
Würze.

Einen ähnlichen Effekt gibt es übrigens auch beim Würzekochen, obwohl das bei unseren Gefäßgrößen und den damit verbundenen Inhalt-zu-Oberfläche-Verhältnissen und den noch recht 
konservativen Kochzeiten von über einer Stunde keine Probleme machen sollte:
Das Dimethylsulfid (kurz DMS, Geruch ekelig nach gekochtem Sellerie) existiert in der Würze auch als freies DMS (riechbar und leicht auskochbar) und als Vorläufersubstanz. Beendet man die 
Würzekochung jetzt zu früh (noch Vorläufer vorhanden) und hält die Würze dann zu lange heiß, ohne dass eine starke Ausdampfung erfolgt, dann bildet sich (zum Beispiel bei der 
"Whirlpoolrast") DMS nach, das dann nicht mehr ausgedampft werden kann und den Geschmack wirklich übel versaut (hab ich mal in einer kleinen Hausbrauerei im Südosten von München 
erleben dürfen). Zum Selbermachen von DMS: Würze offen (!) bei ca. 40 °C stehen lassen. Eine Infektion mit Würzebakterien erzeugt dann auch das typische Sellerie-Aroma. Lecker!

Tschö,

Marcus