[HBF] bisher keine Antwort
Hubert Hanghofer
hhanghof at netbeer.co.at
Die Apr 30 00:06:08 CEST 2002
Liebe Braugemeinde,
Hallo Michi
Am Montag, 29. April 2002 14:39 schrieb Michi Dill:
> Hallo Brauer,
> leider habe ich immer noch niemnaden gefunden der eine Antwort auf meine
> Frage hat.
Was ist los, allgemeine Unsicherheit bei dem Thema?
> Hier nochmal mein Problem:
>
> Es geht um die Temperatur bei der Nachgärung.
> Bei den untergärigen Bieren (bei der die Hauptgärung bei ca. 8°C abgelaufen
> ist) habe ich die Flaschen zur Nachgärung bei 4°C gelagert. Da konnte sich
> die Hefe noch mehr oder weniger gut mit den 8% Speise beschäftigen und nach
> 4 Wochen hatte ich den richtigen Druck.
> Jetzt zum Obergärigen:
> Ist es sinnvoll die Flaschen noch eine Woche bei 20°C stehen zu lassen und
> dann erst auf 4°C runter zu kühlen? Bei der obergärigen Hefe tut sich ja
> bei 4°C nix mehr, oder? Ich habe zu diesem Thema verschiedene Empfehlungen
> gelesen und wüsste gern wie Ihr das macht.
Da gibt's sicher viele Meinungen, aber mit folgendem Gärschema wirst du IMMER
Erfolg haben:
1.) Reifung bei Hauptgärtemperatur.
2.) Anschließend Konditionierung bei 4°C oder auch weniger.
Viele Hausbrauer verwechseln Reifung (Nachgärung) mit Konditionierung.
Während der Reifung findet durch Nachgärung (Restextrakt, Speise, Zucker) die
Karbonisierung statt. Außerdem werden Jungbier-Bukettstoffe (Acetaldehyd,
Diacetyl) abgebaut. Beides erledigt die Hefe für uns -- logisch also, daß wir
ihr dabei die Arbeit nicht allzu schwer machen wollen!
Oft wird die Reifung in Form einer sogenannten Diacetylrast sogar bei
Temperaturen über Hauptgärtemperatur durchgeführt. Wie dem auch sei, der
Endpunkt der Reifung ist durch regelmäßige Verkostung des Jungbieres leicht
erkennbar. Allerdings sollte man die Jungbierprobe auf Raumtemperatur
erwärmen, weil sich dann das butterige Jungbieraroma kräftiger entwickelt.
Nach der Reifung soll die Kohlensäure fester gebunden werden bzw. soll eine
Stabilisierung der Bierkolloide erfolgen - das sind prinzipiell rein
physikalisch Vorgänge, die bei möglichst tiefen Temperaturen (4°C und
darunter) ablaufen. Die Hefe braucht dazu nicht mehr aktiv zu sein.
Untergärige Hefe arbeitet freilich auch noch bei 4°C. Wenn man viel Zeit und
vor allem Lagerkapazität hat, kann man also mit untergäriger Hefe eine
klassische Kaltreifung machen. Bisher ist es noch niemandem gelungen, mich zu
überzeugen, daß das so gereifte Lagerbier tatsächlich besser sei - es dauert
jedenfalls viel viel länger.
Von einer Kaltreifung bei Obergärung habe ich noch nie was gehört. Das kann
nur funktionieren, wenn man für die Nachgärung auf untergärige Hefe umstellt.
> Wann ist das Weizen denn trinkfertig? 3 Wochen nach dem Schlauchen?
Je nach Hefeaktivität 2-7 Tage für die Reifung bei 20°C, dann eine Woche
einkühlen. Bei Weizen gilt: je frischer, desto besser -- aber reif
(diacetylfrei) muß es natürlich schon sein!
> Wie und vor allem wann verändert sich der Geschmack denn deutlich nach dem
> Schlauchen? Mein Untergäriges schmeckt jetzt nach einer Woche noch sehr
> unausgegoren und leer und etwas süsslich. Wann wird´s nicht mehr besser,
Sind die Antworten darauf nun klar?
> wann verliert es die Frische und wann setzt die Autolyse ein? Jaja, ich
> weiss das kommt drauf an...
> Aber so ungefähr kann man das doch sagen, oder? Mit der Autolyse hatte ich
> bisher bei dunkler Lagerung bei 4°C auch nach 6 Monaten noch kein Problem.
Wenn Du das fertige Bier bei 4°C dunkel lagern kannst, bleibt es sicher am
längsten frisch. Die Entwicklung von Alterungsgeschmack und Autolyse verläuft
bei höheren Temperaturen rascher. Hefeautolyse (Selbstzersetzung) ist durch
Hefeenzyme gesteuert. Wie wir wissen, haben Enzyme ein pH Wirkungsoptimum.
Ein möglichst niedriger Bier pH (untergärig unter 4.4, obergärig unter 4.2)
macht die Hefe autolyseresistent.
Besonders wichtig ist eine gute Sauerstoffversorgung der Hefe am Beginn der
Vermehrungsphase, da sie zu kräftigen, autolyseresistenten Zellwänden führt.
Bei mir z.B. trat mehrmals starke Hefeautolyse auf, nachdem ich von offener
auf geschlossene Hauptgärung umgestellt habe, ohne die Würze zu belüften!!
(mit den Eigenheiten der Hefe war ich damals noch nicht vertraut)
Allzeit gut Sud!
Hubert Hanghofer
www.netbeer.org