[HBF] Vermehrung bzw. Lagerung von Wyeast-Hefe

Hubert Hanghofer hhanghof at netbeer.co.at
Don Mar 14 21:24:40 CET 2002


Liebe Braugemeinde,
hallo Dirk,

Am Dienstag, 12. März 2002 13:11 schrieb Dirk:
> Hallo zusammen,
>
> um mal wieder ein neues Thema in den Raum zu stellen....
>
> Im unten aufgeführten Text wird die Vermehrung bzw. Lagerung von
> Wyeast-Hefe beschrieben wird.
> Gerade weil nicht jeder Hefestamm vor Ort zu bekommen ist, ist dies
> sicherlich eine günstige alternative.
>
> Gibt es Erfahrungen mit dieser Methode?
> Hubert hat sicherlich einiges zu diesem Thema zu berichten!

Ich berichte über "klassische" Methoden und Dauerkulturen in 0,9% 
Kochsalzlösung seit 1998 auf www.netbeer.co.at/beer/y_cult.htm
Diejenigen unter Euch, die nur eMail-Zugang haben, können den Artikel gerne 
bei mir anfordern.

Die von Dir zitierte Methode von Wolfgang Pfeiffer funktioniert ganz sicher 
genau so gut wie eine klassische Stammhaltung auf Schrägagar oder als 
Dauerkultur - soferne alle von Wolfgang vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen 
penibel eingehalten werden! Wolfgangs Methode bietet gegenüber den 
klassischen Labormethoden den unbestreitbaren Vorteil des geringeren Aufwands 
für den Einstieg, aber einfacher ist sie deshalb IMHO nicht!

Wer meinen Artikel noch nicht kennt, wird da beim ersten drüberlesen sofort 
verwirrt Einspruch erheben, aber lasst Euch nicht täuschen, ich beschreibe ja 
alle Optionen und Ausbaustufen - in den meisten Fällen reicht es völlig, sich 
auf die Stammhaltung mit Schrägagar zu beschränken! Ich werde versuchen, 
diese Methode als Vergleich in Wolfgangs Beschreibung hineinzukommentieren:

> LAGERUNG UND VERMEHRUNG VON WYEAST-FLÜSSIGHEFEN
> Zuerst muss man sich aus der Apotheke pro Hefebeutel 1 Flasche mit 100
> ml isotone Kochsalz-Lösung NaCl
> 0,9 % besorgen. Diese Flaschen sind mit einem Gummipfropfen verschlossen
> der nicht entfernt werden darf.
> Außerdem benötigt man ein paar sterile Einwegspritzen 10 ml und dazu
> passende Nadeln.

Der Aufwand für den Einstieg in die Kultivierung auf Schrägagar ist natürlich 
höher:

Investitionsaufwand:
Qualitativ hochwertige Kulturröhrchen (hochwertiges Geräteglas, Schraubkappe 
mit Teflondichtung) kosten mind. 2-3 Euro das Stück und sind kaum in 
Stückzahlen unter 50 zu haben. Daneben werden benötigt: Impfösen, Lötlampe, 
Agar-Agar. Empfehlenswert, aber schwer aufzutreiben: 
Ammoniumdihydrogenphosphat (ergänzt assimilierbaren Stickstoff und säuert das 
Nährmedium an auf Bier-pH, macht es somit selektiver für Hefe).

Erlenmeyerkolben sind für jede Art der Hefekultivierung unbedingt 
empfehlenswert und sollten daher auch beim Arbeiten nach Wolfgangs Methode 
für die Starterkultur verwendet werden.

> Um in den Flaschen Platz für die Hefe zu schaffen werden nun mit der
> Spritze ca. 20 ml Kochsalzlösung
> herausgeholt und weggeschüttet. Den Gummipfropfen sollte man mit Alkohol
> abwischen bevor man mit der
> Nadel reinsticht um alles absolut steril zu halten.

Auch der Aufwand für die Bereitung des Schrägagar ist natürlich höher:
Nährmedium ansetzen, gießen, sterilisieren, "schräg" gelieren, sauber 
wegpacken, wenn möglich kühlen. Allerdings kann ich in einem Arbeitsgang 
einen ganzen Jahresvorrat zubereiten (näheres siehe o.g. Artikel).

> Nun wird die Packung mit der WYEAST-Hefe geöffnet. Die Hefe ist im
> Goldenen Beutel und im kleinen
> Inlet ist die Würze! Zuvor muß man den Goldenen Beutel mit der Hefe
> gründlich reinigen und mit Alkohol
> abreiben. Das Inlet mit der Würze kann man wegwerfen. Erst dann holt man
> mit der Spritze die Hefe heraus
> und spritzt diese in die Flasche mit der Kochsalzlösung. Am besten macht
> man das mit einem Helfer der den
> Hefebeutel festhält. Man muss unbedingt darauf achten, dass keinerlei
> Würze mit in die Flasche mit der
> Kochsalzlösung kommt da die Hefe sonst zu gären anfangen könnte.

Konventionelle WYEAST-Starterkultur für einen Sud ansetzen, also: Inneres 
Würzepäckchen aufklatschen und inkubieren, bis die Packung durch die 
Gärungskohlensäure mind. 2-3cm aufgegangen ist. Packung mit 70 vol% Alkohol 
abreiben, öffnen, Starterkultur für den geplanten Sud anstellen. Soweit also 
alles WYEAST-Standardprozeduren.

Die Hefe ist nun aufgewacht und befindet sich in der vitalsten Phase ihres 
Lebenszyklus - der Wachstumsphase, in der auch die stärkste Gärungsaktivität 
zu beobachten ist (Wachstum und Hauptgärung erfolgen _nicht_ nacheinander, 
sondern gleichzeitig). Die so wiedererlangte Hefevitalität ergibt nicht nur 
optimale Starterkulturen, sondern ist auch Voraussetzung für optimale = 
dauerhafte Stammhaltung. Das Ablaufdatum startet sozusagen wieder bei Null.

Also: WYEAST Beutel nicht wegwerfen, sondern mit geglühter Impföse die 
verbleibenden Tropfen aus dem Beutel kitzeln und je nach Bedarf 3 bis 6 oder 
mehr Schrägagar animpfen (Details siehe Artikel). Auf dem Schrägagar wächst 
die Hefe rasch weiter und bildet Kulturen. Anschließend (4-7 Tage) gut 
verpacken und ab in den Kühlschrank.

> Das war es schon. Die Flasche mit der Hefe-Kochsalzlösung im Kühlschrank
> bei Temperaturen über 0 Grad
> aufheben. Die Hefe hält sich so über viele Monate hinweg und man kann
> sich somit eine eigene Hefebank mit
> verschiedenen Hefen zulegen. Die beschriebene Methode funktioniert mit
> ober- und mit untergäriger Hefe.

Detto. Die Hefe hält sich mind. 1 Jahr und kann sehr einfach auf leere 
Schrägagar kopiert (überimpft) werden. Hat man vor, eine Starterkultur damit 
herzustellen, sollte die Kultur aber möglichst frisch sein (keinesfalls älter 
als 3 Monate, ggf. frisch kopieren). Alle 2 Jahre sollte man die Kultur durch 
Neukauf eines WYEAST-Beutels auffrischen.

> HERSTELLEN DER ANSTELLHEFE AUS HEFE-KOCHSALZLÖSUNG
> Neben unserer Hefe-Kochsalzmischung benötigen wir sterile Würze. Ich
> halte dafür vom letzten Sud immer
> etwas zurück und friere diese in kleinen Portionen ein. Bei Bedarf wird
> die Würze dann nur noch aufgetaut
> und aufgekocht damit sie hundertprozentig steril ist. Es geht aber
> sicherlich auch Malzextraktpulver o.ä.
> Außerdem benötigt man ein Gefäß indem die Anstellhefe hergeführt wird.
> Dieses Gefäß sollte mindesten 50
> Prozent mehr Volumen haben als die benötigte Menge Anstellhefe (wegen
> der Schaumbildung). Außerdem
> muss dieses Gefäß ebenfalls absolut steril sein (auskochen).

wie schon erwähnt - Erlenmeyerkolben sind jedem Yeast-Rancher unbedingt zu 
empfehlen.

> Die Hefe-Kochsalzlösung rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen und
> langsam auf Zimmertemperatur
> kommen lassen.

detto mit Schrägagar.

> Mit der Spritze 10 ml herausholen (Gummipfropfen vorher
> mit Alkohol saubermachen!) und
> in das Gefäß geben.

Hefe mit ein paar ccm frisch bereiteter (steriler) Starterwürze oder 
sterilfiltriertem Wasser vom Schrägagar lösen und in die Starterwürze gießen.

> Anschließend 10 ml Würze hinzugeben. Das Gefäß
> öfters kräftig schwenken oder
> schütteln damit die Hefe gut belüftet wird und anschließend bei 20 bis
> 25 Grad warm stellen (auch die
> untergärige Hefe).
> Nach ca. 24 Stunden gibt man ca. 100 ml Würze hinzu und belüftet wieder
> kräftig. Ein bis zwei Tage später
> sollten deutliche Gäranzeichen sichtbar sein (Bläschenbildung,
> Schaumbildung). Jetzt kann man weitere 500
> bis 1000 ml Würze hinzugeben, je nachdem wie viel Anstellhefe man
> benötigt (für ca. 20 bis 25 Liter
> obergäriges Bier benötigt man ca. 0,5 Liter, für die gleiche Menge
> untergäriges Bier ca. 1 Liter). Kräftiges
> Belüften nicht vergessen.

Durch die hohe Verdünnung der Hefe ist eine -wie Wolfgang richtig beschreibt- 
mehrstufige Herführung im "Kleinstmaßstab" erforderlich. Jede zusätzlich 
erforderliche Manipulation setzt aber die Hefekultur kurzzeitig der Umgebung 
aus und birgt die Gefahr von Kontaminationen - dies gilt besonders im 
Mikromaßstab. Ich verfolge daher die Strategie der "Minimalmanipulation".

Ich habe seit 4 Jahren die Erfahrung gemacht, daß gut gewachsene, frische 
Schrägagar-Kulturen ein genauso hohes Zellwachstum ergeben wie inkubierte 
WYEAST-Beutel. Das bedeutet, ich kann einen Schrägagar mit genauso viel Würze 
ansetzen wie einen inkubierten WYEAST Beutel (300-500mL) und kann daher die 
Stufen bis 500mL überspringen!

> Weitere 24 bis 36 Stunden später hat man eine kräftig gärende
> Anstellhefe für seinen Sud. Sollte sich der
> Brautermin verschieben kann man die Anstellhefe durchaus noch
> weiterführen, indem man einfach immer
> etwas Würze als Hefenahrung zugibt. Bei den Zugaben der Würze muss man
> noch darauf achten, dass diese
> etwa die gleiche Temperatur hat wie die Anstellhefe. Die Hefe könnte
> sonst einen "Temperaturschock"
> bekommen, was zu Gärproblemen führen kann.

das sehe ich auch so.

Allzeit gut Sud
Hubert