[HBF] Karbonisierung von Bier in Kegs / Zapfanlagen /Gegendruckfu:ller
Hubert Hanghofer
hhanghof at netbeer.co.at
Mon Feb 18 23:31:33 CET 2002
Liebe Braugemeinde,
Gregor, der daran denkt, daß keine Umlaute im Betreff einer Mail verwendet
werden sollten (weil die im Inhaltsverzeichnis des Archivs ziemlich schlecht
rüberkommen), schreibt:
Am Sonntag, 17. Februar 2002:
> ...Ich bin von diesem Wert leider Längen entfernt: Ab 1,4 bar (bei einer
> Biertemperatur von 4° C) gibt's mehr Schaum als Bier im Glas und das Zapfen
> eines Glases dauert 10 Minuten. Das bedeutet, daß meine Biere eigentlich
> unterkarbonisiert serviert werden, ...
KEINESFALLS - Dein Bier ist stark überarbonisiert! Du mußt das Kohlensäure -
Temperaturgleichgewicht berücksichtigen (s. Tabelle 1 auf S.124 in meinem
Buch).
Bei 20°C lösen sich unter atmosphärischem CO2 Druck (also praktisch unter der
Gärglocke) 1,65 Gramm CO2 / Liter Bier. Beim Spunden oder Zapfen mit 2,5 bar
Überdruck erhalte ich also eine Aufkarbonisierung von (1+2,5)*1,65 = 5,78 g
CO2/L.
In Deinem Fall bei 4°C lösen sich unter atmosphärischem CO2 Druck 2,80 Gramm
CO2 / Liter Bier. Beim Spunden oder Zapfen mit 1,4 bar Überdruck erhältst Du
eine Aufkarbonisierung von (1+1,4)*2,80 = 6,72 g CO2/L.
So sind nun mal die Naturgesetze und in diesem Fall (Henry'sche Gasgesetze)
folgt die Praxis ziemlich genau der Theorie.
Das ist auch der Grund, warum Gasthäuser mit langen Schankleitungen und
entsprechend hohem Druckabfall mit Schankmix (Stickstoff / Kohlensäure)
zapfen. Muß der Druck erhöht werden, wird einfach der Partialdruck der
Kohlensäure auf gleichem Niveau gehalten, damit das Bier beim Zapfen nicht
aufkarbonisieren. Die Druckerhöhung muß also durch Beimengung aliquoter
Mengen Stickstoff erfolgen.
Dein Bier schmeckt deshalb schal, weil beim Verschäumen der Großteil an
Kohlensäure verlorengeht. Technisch sind 1,4 bar für Deine Anlage sicher kein
Problem. Aber bei der hohen Karbonisierung genügt die Erwärmung in der
Leitung bzw. am Zapfkopf, damit sich Kohlensäure entbindet. Und wenn erst mal
Kohlensäurebläschen in der Leitung sind, wird der beste Kompensatorhahn zum
Schaumspucker.
*****
FAZIT: Karbonisiere auf 0,8 bar / 4°C (Spundungsdruck bzw. "force
carbonation") und die Welt ist wieder in Ordnung! Falls Du zum Zapfen einen
höheren Druck benötigst, weil der Widerstand zu hoch ist oder weil die
Kohlensäure ausgast, dann blas den Überdruck nach der "Sitzung" wieder ab.
Druckerhöhung beim Zapfen sollte bei kurzen Leitungen und
Standardkarbonisierung von 5g/L eigentlich kaum erforderlich sein - das
System bleibt somit stabil im Gleichgewicht. Ab so ungefähr 5,5g/L beobachte
ich Probleme mit Bildung von CO2 Bläschen in der Leitung und muß um 0,1-0,2
bar erhöhen - aber damit fängt halt der "Teufelskreis" an ;-)
...und drink Dein Bier nicht so (amerikanisch) kalt ;-)
Allzeit gut Sud!
Hubert
zapfe gerade ein Pils mit +1,4 bar bei 12°C.