[HBF] knapp gelo:ste kontinentale Malze (?)- Maischverfahren

Hubert Hanghofer hhanghof at netbeer.co.at
Mit Feb 13 20:36:02 CET 2002


Liebe Braugemeinde,
hallo Gregor

Ich hoffe Ihr habt alle den Karneval gut überstanden und gute Vorsätze für 
die kommende Fastenzeit gefaßt! -Wie wär's mit: "Fasten wie ein Mönch" - nur 
flüssiges Brot ;-)



Am Dienstag, 12. Februar 2002 15:32 schrieb Gregor:
> Ich will nochmal auf die Diskussion vor ungefähr zwei Wochen zurückkommen,
> wo es darum ging, wie man englisches Pale Malt mit kontinentalen Malzen
> emuliert.
[...]
> Widersprechen möchte ich Hubert aber vorsichtig in einigen Punkten, was das
> Maischverfahren angeht:
[...]
> Beim Pilsner Malz ist eine kurze Eiweißrast von ca. 10 Minuten aber
> trotzdem sicherlich sinnvoll. Aber was spricht dagegen anschließend bei
> einer Temperatur von 67°C zu rasten, bei der sowohl Beta- als auch
> Alphaamylase aktiv sind?

Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, daß Dein gut gelöstes Pilsener 
Malz sogar ohne Eiweißrast (es sei denn, die verwendete Hefe hat extrem hohen 
Aminosäurebedarf) bei 67°C eingemaischt und isotherm verzuckert werden kann. 

Vorsicht ist lediglich geboten bei Weizenmalz und dunklen Malzen - Münchner 
ist häufig stärker gelöst, allerdings werden die Aminosäuren bei den 
farbgebenden Maillardreaktionen wieder verbraucht und stehen daher der Hefe 
nicht zur Verfügung. Basiert die Schüttung vorwiegend auf Münchner oder auch 
auf Weizenmalz, ist es also ratsam, den Gehalt an FAN (freier 
Aminostickstoff) für die Beurteilung -"Eiweißrast Ja oder Nein"- 
heranzuziehen. Nur um einen Anhaltspunkt zu geben - ich kann mir nicht 
vorstellen, daß bei einem FAN über 600mg/L Gärprobleme auftreten, die auf 
Aminosäuremangel zurückzuführen sind! Mag sein, daß Industriebrauereien 
höhere Gehalte anstreben, aber die wollen das Bier möglichst schnell fertig 
haben und schneller ist in diesem Fall nicht unbedingt besser!

> Ich verwende zwar bei 90 % der von mir gebrauten Biere ebenfalls das von
> Hubert beschriebene Standard Infusionsverfahren (10 min @ 57°C, 45 min @
> 61-63°C, 45 min @ 70-72°C und Abmaischen bei 76-78°C) und das machen auch
> alle deutschen Brauereien so, die ich besuchte. Aber mich würde schon
> interessieren, warum dieses Verfahren der 90-minütigen Rast bei 67°C
> überlegen sein soll. Englische aber auch amerikanische Hobbybrauer scheinen
> meines Wissens nach fast ausschließlich dieses einfachere Verfahren zu
> verwenden - auch bei Verwendung kontinentaler Malze.

Zumindest was die Verwendung kontinentaler Malze betrifft, würde ich das 
("fast ausschließlich") für den Kreis mir persönlich bekannter all-grain 
brewer als übertrieben empfinden. Wer die Möglichkeit hat (Kessel, RIMS, 
HERMS etc.) maischt sehr wohl nach einem step-infusion Programm. Vermutlich 
trifft es aber zu, daß die überwiegende Mehrheit aller all-grain brewer 
isotherm maischt (also bei einer möglichst konstanten Temperatur) - und zwar 
entweder Kleinmengen im Backrohr oder "normale Mengen" im gut isolierten 
Camping-Kühlcontainer.

Ich habe wie bereits erwähnt auch keinen Zweifel daran, daß dies mit unseren 
-mittlerweile ausschließlich gut gelösten (?)- Malzen funktioniert. Mit der 
Endverzuckerung gibt es (meiner Erfahrung nach) nur Probleme, wenn man unter 
65°C bleibt. Die Frage ist nur: Erreiche ich bei 67-68°C den für die 
angestrebte Biersorte typischen Vergärungsgrad?

Ich kann das leider nur für die bodenständigen Biersorten beantworten: und 
zwar mit einem klaren NEIN!  Die *gemessenen*, scheinbaren Vergärungsgrade 
liegen großteils weit über 80%!! Weit jenseits der Grenzen, die in den (IMHO) 
diesbezüglich anzuzweifelnden style-guidlines der AHA oder des BJCP 
(www.bjcp.org) gezogen wurden.

Man darf sich da nicht durch Angaben auf Bieretiketten täuschen lassen - 
berechnet man nämlich den Vergärungsgrad aufgrund des angegebenen 
Alkoholgehaltes, kommt man stets zu Werten *unter* 80% (78% wäre typisch). 
Tatsache aber ist, daß vom Gesetzgeber bis zu 0.5% Fehler bei der Angabe des 
Alkoholgehaltes toleriert werden, was praktisch alle Brauereien dazu 
verleitet, einen zu niedrigen Alkoholgehalt anzugeben (moralisch sehr 
bedenklich, aber das Motto scheint zu lauten: "Autofahrer sind wichtige 
Kunden"). Um nicht mißverstanden zu werden: Bedenklich finde ich dabei die 
mangelnde Moral und Ehrlichkeit der Brauer, nicht jedoch die Tatsache, daß 
sie gründliche Maischverfahren und hohe Vergärungsgrade bevorzugen, denn dies 
führt letztendlich zu geschmackszarten, besser bekömmlichen und somit 
süffigeren Bieren.

Im Zusammenhang "Vergärbarkeit" spielt übrigens eine *zusätzliche* Rast bei 
67-68°C - also im kombinierten Wirkungsbereich der alpha und beta-Amylase - 
eine wichtige Rolle. Alpha Amylase ist *immer* im Überschuß vorhanden (kein 
Problem also mit Endverzuckerung ab 66°C), die Aktivität der beta-Amylase ist 
aber sehr begrenzt! -Analysiert man bodenständige Maischverfahren, so scheint 
alles darauf abzuzielen, diese geringere Aktivität durch ein sorgfältig 
abgestimmtes Maischverfahren so gut als möglich auszunutzen.

Nun aber (endlich) zurück zum eigentlichen Thema: Emulation von Pale-Ale 
Malt. Bringt ein authentisch britisches, isothermes Infusionsverfahren (67°C) 
Vorteile mit emulierten Pale-Ale Schüttungen auf Basis bodenständigem 
Pilsener?

Die Antwort ist ein klares Ja, wenn damit derselbe Vergärungsgrad erreicht 
wird wie z.B. mit Marris Otter - ich bezweifle das allerdings.
Ich kenne aber nur Meßwerte bodenständiger Biersorten und wäre sehr 
daran interessiert, wie die *gemessenen* scheinbaren Vergärungsgrade bei 
diversen Ales liegen.

Vielleicht kann jemand mit Zugang zu einer breiteren Auswahl Ales (Gabriela?) 
mal einige Proben spindeln.


...so, und ich *faste* jetzt das Abendessen ;-)

allzeit gut Sud!
Hubert