[HBF] knapp gelöste kontinentale Malze (?)- Maischverfahren
Gregor Zellmann
gregor at blinx.de
Die Feb 12 15:32:52 CET 2002
Liebe Braugemeinde,
Ich will nochmal auf die Diskussion vor ungefähr zwei Wochen zurückkommen,
wo es darum ging, wie man englisches Pale Malt mit kontinentalen Malzen
emuliert.
Hubert schrieb hierzu, daß man farblich und geschmacklich gute Resultate
beim Brauen englischer, hopfenbetonter Ales (z.B. India Pale Ale) mit
Wiener Malz oder einer Mischung aus Münchner und Pilsner Malz erzielen
kann. Dem schließe ich mich voll und ganz an. Die Malzigkeit z.B.
schottischer Strong Ales kriegt man aber nicht mit kontinentalen Malzen, wie
Hubert weiter schreibt, hin. Ich habe das kürzlich probiert und meinem
Scotch Ale fehlt tatsächlich der typische, intensive Malzgeschmack.
Widersprechen möchte ich Hubert aber vorsichtig in einigen Punkten, was das
Maischverfahren angeht:
Hubert schrieb am 30.Januar im HBF:
"Ich möchte aber festhalten, daß prinzipiell nur die kräftigere Farbe des
Pale Ale Malt 100%ig nachgestellt werden kann. Wie Gregor schon erwähnte,
verwenden die Briten spezielle Braugersten (Marris Otter ist wohl jedem
Kenner ein Begriff) und Mälzverfahren. Das darauf abgestimmte, sehr einfache
Infusions Maischverfahren ist nicht direkt auf bodenständige Malze
übertragbar! Dies ist nicht weiter schlimm, weil ja unsere komplexeren
Maischmethoden sowieso darauf abgestimmt sind. Der resultierende Geschmack
wird sich aber dennoch unterscheiden - denn die vom Mälzer gebotene Basis
kann man durch Maischen nicht mehr beliebig ändern!"
und
"Das Maischverfahren auf die gewählte Schüttung abstimmen (z.B. bewährte
Infusionsstufen), nicht zwanghaft versuchen, ein knapp gelöstes Pilsener
Malz
mit einer single temp. Infusion bei 67°C zu maischen."
Ich habe von Weyermann aktuelle Laboranalysen der dort hergestellten
Basismalze (Pilsner, Wiener, Münchner) angefordert und erhalten:
Malzsorte Kolbachzahl Mehlschrotdifferenz
---------------------------------------------------------------
Pilsner 39-40 % 1,3-1,5
Münchner 38-45% 1,3-1,5
Wiener 38-43% 1,3-1,5
Von knapp gelöstem Malz kann man hier also nicht unbedingt sprechen. Hubert
selber spricht in seinem Buch von knapp gelösten Malzen bei einer
Kolbachzahl von <35% und von gut gelösten Malzen ab 38% und einer
Mehlschrotdifferenz von unter 1,8%.
Beim Pilsner Malz ist eine kurze Eiweißrast von ca. 10 Minuten ist aber
trotzdem sicherlich sinnvoll. Aber was spricht dagegen anschließend bei
einer Temperatur von 67°C zu rasten, bei der sowohl Beta- als auch
Alphaamylase aktiv sind?
Ich verwende zwar bei 90 % der von mir gebrauten Biere ebenfalls das von
Hubert beschriebene Standard Infusionsverfahren (10 min @ 57°C, 45 min @
61-63°C, 45 min @ 70-72°C und Abmaischen bei 76-78°C) und das machen auch
alle deutschen Brauereien so, die ich besuchte. Aber mich würde schon
interessieren, warum dieses Verfahren der 90-minütigen Rast bei 67°C
überlegen sein soll. Englische aber auch amerikanische Hobbybrauer scheinen
meines Wissens nach fast ausschließlich dieses einfachere Verfahren zu
verwenden - auch bei Verwendung kontinentaler Malze.
Ich denke, der malzigere Geschmack britischen Pale Malts ist weniger das
Resultat des Mälzverfahrens, sondern einfach der verwendeten
Braugerstensorte (Marris Otter, Halycon, etc.). Wenn ich nur wüsste, wo man
dieses Malz frisch und einigermassen bezahlbar (2 Euro/kg sind mir zu teuer)
herkriegt. Ich stehe im Moment sehr auf britische Ales ;-).
Habe übrigens endlich die Profibrauer-Bibel "Abriß der Bierbrauerei" von
Herrn Narziss bestellt. Bin sehr neugierig darauf.
Am Samstag werde ich Huberts "Klein-Schwechater-Lager" brauen. Habe mir
heute einen halben Liter frische, dicke Anstellhefe aus der Brauerei besorgt
und bin gespannt, wie sich diese doch erheblich größere Hefemenge auf den
Biergeschmack auswirken wird. Wir Hobbybrauer verwenden ja i.d.R. viel zu
wenig Hefe zum Anstellen. In Profibrauereien rechnet man mit einem Liter
dickflüssiger (!) Hefe pro Hektoliter Würze bei einem normalem (12-13° P)
untergärigem Bier.
Gut Sud für alle
Gregor