[HBF] Re: [HBF] Bier mit Kräutern?

Burkhart Schaffrath Schaffrath at gdv.com
Mon Jan 28 12:42:20 CET 2002


Hallo Thomas!

>Ich habe mir kürzlich das Buch von Steven Harrod Buhner "Sacred and
>herbal healing Beers" gekauft. Darin sind Rezepte die teils sehr alt sind,
>und ohne Hopfen gebraut werden. Nun meine Frage:
>Hat jemand von euch Erfahrung mit sowas? Ich werde nächstens mal einen
>Versuch wagen. Und zwar mit Gagel, Schafgarbe, und Sumpfporst.

Nunja, ich bin zwar noch relativ neu in der "Brauergemeinde", aber braue 
eigentlich nur ohne Hopfen!
Ich braue mittelalterliches Gruitbier! Das wird ausschließlich mit Kräutern 
("Gruit") gebittert.
Es gibt dazu eine Menge zu sagen, besonders aus 
historischer/archäologischer Sicht. Das wichtigste ist aber: es schmeckt 
einfach saugut und man kann es nirgends kaufen! Außerdem ist es ein 
Geschmack, der schon seit Jahrhunderten verlorengegangen ist. Ich kann auf 
den Hopfen gut verzichten!

Hier das Rezept von meinem Weihnachtsbier:

15  kg Pilsner Malz (EBC 3), ca. 3 kg davon nachgeröstet im Backofen
1,5 kg Haferflocken
1,0 kg Buchweizen (vorgekocht)
0,5 kg Honig

Kalt eingemaischt
Eiweißrast bei ca. 50° C für ca. 30 Minuten
Verzuckerung bei ca. 68°-70° C für 90 Minuten
Abmaischen bei ca. 78° C

Ich maische in einem holzbefeuerten Waschkessel, deshalb beginne ich mit 
einem niedrigeren Hauptguß und gebe zum halten der Rasttemperaturen immer 
etwas kaltes Wasser zu. In diesem Fall so:
Einmaischen mit  50 l
Zum halten der Rasttemperaturen 30 l während des Maischens zugeben.
Nachguß 30 l

Die Würze auf ca. 80 l einkochen. Während der letzten halben Stunde 
Kochzeit die Gruitkräuter zusetzen:
Gruit:
Schafgarbe      50 g
Koriander       50 g
Alant           10 g
Gundermann      100 g
Salbei          30 g
Eisenkraut      10 g

Ach ja, als Hefe hatte ich eine Pilsner Hefe der Kirner Privatbrauerei, da 
ich im Aussenkeller braue, konnte ich Anfang Dezember keine obergäriges 
produzieren.

Stammwürzegehalt 16,5° Plato
Restextrakt 4° Plato
Abfüllzeitpunkt 4,5° Plato


Ich habe dieses Bier in Bügelflaschen gefüllt. Nach zwei Wochen Reifezeit 
war es schon wirklich gut, aber es ist bisher immer besser geworden....Und 
um mich am Thema "Bügelflaschen sterilisieren" auch noch zu beteiligen:
Ich habe meine Flaschen in Waschsoda-Lösung gekocht. Im Braukessel..... 
Danach mehrfach mit kaltem Wasser gespült.

Meine gesamten hygienischen Vorraussetzungen sind, nach gängiger Heimbrauer 
Empfehlung und Lehrbuchmeinung, schlichtweg katastrophal! Bisher hatte ich 
aber KEINE Probleme. Immerhin braue ich historisch....:-)

>  Dies ist wahrlich nichts für Reinheitsgebots-Freaks.

Nö. Das Reinheitsgebot war ja auch eigentlich eine politische Entscheidung....

>  Da diese Biere auch nach dem Aufkommen des Hopfens noch lange gebraut 
> wurden, nehme ich an, dies
>hatte seine Gründe.

Hm, im englischsprachigen Raum bezeichnete "beer" gehopftes und "ale" 
ungehopftes Gebräu!

>  Auch in Scandinavien wurde bis vor ein paar
>Jahrzehnten
>noch viel Wachholder eingesetzt z.B. Sahti in Finnland.

Ich dachte, daß es das noch gibt.

>Wenn jemand also Erfahrung mit solchen "Hexentrunken" hat, wäre ein
>Austauch von Erfahrungen sehr interessant. Falls es den Rest des HBF
>nicht
>interessiert könnte man auch direkt Emailen.

Ich hoffe, daß es hier auch historisch Interessierte gibt. IMHO ist das 
historische Brauen in Deutschland noch fast unbekannt.




Gruß Burkhart

Honi soit qui mal y pense!
(Motto des Hosenbandordens)