[HBF] Wildhopfen

Tobias Kandler tobias.kandler at gmx.de
Do Sep 4 14:13:54 CEST 2008


Hallo miteinander,

vor Jahren habe ich mal was zum Wildhopfen gesucht und folgende Untersuchung
im Netz gefunden:

3.1.3 Humulus lupulus (Hopfen)
Beim Hopfen steht die von alters her genutzte und bis heute gezielt
züchterisch bearbeitete
Kulturpflanze der Wildform gegenüber. Der in vorliegenden Untersuchungen
ausgewählte nordrhein-westfälische Wildhopfen wurde zum einen morphologisch
untersucht, zum anderen auf seinen Gehalt an verschiedenen Inhaltsstoffen
geprüft und schließlich einer umfassenden Resistenzprüfung unterzogen. Im
Ergebnis
konnten in jeder Hinsicht Eigenschaften aufgezeigt werden, die aus
züchterischer
Sicht besser waren als von Züchtern für Wildhopfen angenommen wird und die
zum
Teil möglicherweise von großer Bedeutung für die Züchtungsforschung sein
werden.
In vieler Hinsicht unterschieden sich jedoch die Wildformen deutlich von den
Sorten.
Die morphometrischen Untersuchungen ergaben, daß sich Wildpflanzen und
Kultursorten
im vegetativen Bereich nur in geringem Umfang voneinander unterschieden.
Anhand der Blätter konnte die exemplarisch ausgewählte Sorte Hallertauer
Tradition
nicht von den im Anbau befindlichen Wildpflanzen abgegrenzt werden. Im
Bereich
der Blütenstände hingegen bestanden Differenzen zwischen drei untersuchten
Sorten
(Hallertauer Tradition, Hallertauer Mittelfrüher und Nugget) einerseits und
den
Wildherkünften andererseits. Die bei den Sorten ermittelte höhere Zahl an
Brakteen
und Blüten pro Blütenstand ist dabei insofern naheliegend, als die Sorten
gezielt auf
hohe Inhaltsstoffgehalte hin gezüchtet wurden, die u. a. durch höhere
Brakteenzahlen
erzielt werden.
Die Wildpflanzen waren den Aromasorten Hallertauer Tradition und Hallertauer
Mittelfrüher
ähnlicher als der Bittersorte Nugget, wobei sich diese ihrerseits wiederum
erheblich von den Hallertauer Sorten unterschied. Eine Begründung könnte in
der
Herkunft des Zuchtmaterials zu finden sein: Die Sorte Hallertauer
Mittelfrüher ist eine
traditionelle Hallertauer Landrasse, die als Ausgangsmaterial für
zahlreiche, inzwischen
weltweit angebaute Sorten verwendet wurde (HAUNOLD 1981, HAUNOLD &
NICKERSON 1987). Auch die Sorte Hallertauer Tradition ist vor allem auf
Hallertauer
Mittelfrüher zurückzuführen, enthält aber auch Material der englischen Sorte
Northern
Brewer. Hallertauer Zuchtstämme sind ebenfalls, neben amerikanischem und
englischem Zuchtmaterial (v. a. Brewer´s Gold), in der amerikanischen
Bittersorte
Nugget enthalten (EHRMAIER, mdl. Mittlg., vgl. auch HAUNOLD et al. 1984),
doch steht
diese auch in genetischer Hinsicht deutlich abseits von allen anderen Sorten
(vgl.
LBP 2000b).
Hinsichtlich der Inhaltsstoffe lag besonderes Augenmerk auf den Ergebnissen
der
Aromabewertung und den Alphasäurengehalten. Wichtig für die Auswertung der
Daten
ist, daß die Mehrzahl der Blütenstände der Wildpflanzen auch im Anbaugebiet
zu
einem hohen Anteil befruchtet war und dadurch mit den vorliegenden Daten ein
Vergleich
von Wildpflanzen und Sorten nicht ohne Vorbehalt zu ziehen ist. Dennoch
konnten für beide Untersuchungsjahre (1997: In-situ -Material, 1999:
Ex-situ-Material)
für Wildhopfen in jeder Hinsicht sehr gute Werte ermittelt werden. Die sonst
von
Züchtern für Wildhopfen angegebenen a-Säurengehalte von 0 - 2,5 % (LUTZ,
ENGELHARD, mdl. Mittlg.) wurden von allen nordrhein-westfälischen Pflanzen
übertroffen.
Warum alle mehr oder weniger zufällig und punktuell ausgewählten
nordrhein-westfälischen
Hopfenbestände im Gegensatz zu den zum Vergleich hinzugezogenen
Hopfen aus der Hallertau hohe Alphasäurengehalte bei überwiegend guten
Aromaqualitäten
zeigten, kann derzeit nicht begründet werden. Aufschlußreich könnten in
diesem Zusammenhang Kenntnisse über die Besiedlungs- sowie über die
Kultivierungsgeschichte
des Hopfens sein. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei
LINKE (1942), aus der hervorgeht, daß auch im norddeutschen Raum Hopfen im
12.
und 13. Jahrhundert kultiviert wurde – wobei sich aber der Schwerpunkt der
Hopfenproduktion
schon immer auf Süddeutschland konzentrierte. Infolge von Verwilderungen
und der in zunehmenden Maße zu beobachtenden Besiedlung anthropogener
Wuchsorte (SUKOPP & KOWARIK 1987) ist jedoch die Rekonstruktion der
Ausbreitung
des Wildhopfens, wie auch HEGI (1981) bemerkt, heute kaum noch möglich.
Im Vergleich zum Wildhopfen weist die Mehrzahl der derzeit gängigen und in
züchterischer
Bearbeitung befindlichen Kultursorten deutlich höhere Alphasäurenwerte auf.
Es gibt jedoch eine Reihe von Sorten, die dem Wildhopfen hinsichtlich ihrer
Inhaltsstoffe
ähnlich sind. Dabei handelt es sich um diejenigen, die auf alte Landrassen
zurückzuführen
sind und kaum züchterisch bearbeitet wurden (vgl. GISTL 1938 und
BARTH et al. 1994). Hierzu zählen u. a. neben der bereits genannten Sorte
Hallertauer
Mittelfrüher beispielsweise die Sorten Hersbrucker und Tettnanger. Von
großer
Bedeutung erwiesen sich in diesem Zusammenhang verschiedene Einzelpflanzen
des Wildhopfens mit Spitzenwerten von fast 9 % a-Säuren. Auch bei der
Bewertung
des Aromawertes erreichten die Wildpflanzen Werte, die sie als Aromahopfen
qualifizierten.
Nach den vorliegenden Ergebnissen ist davon auszugehen, daß die Qualitäten
der
ermittelten a-Säuren bei den untersuchten Herkünften bzw. den einzelnen
Individuen
genetisch bedingt sind. Sie sind in erster Linie auf die Anzahl
Lupulindrüsen, vor allem
an den Vorblättern, auf deren Größe sowie deren Lage innerhalb der Pflanze
zurückzuführen (LEWIS & THOMAS 1982). Die Ausbildung der Drüsen wird jedoch
auch
von der jeweils zu Beginn der Blütezeit herrschenden Witterung beeinflußt.
Dabei
wirken Temperatur, Feuchtigkeit und Sonnenscheindauer zusammen, wobei die
Wirkung
eines Anteils dominierend sein kann (THOMAS & DARBY 1984). 1994
beispielsweise
wurden witterungsbedingt bei 17 Hopfensorten die niedrigsten a-Säurengehalte
im 10-jährigen Vergleich ermittelt, 1997 dagegen, begünstigt durch die warme
und trockene Witterung dieses Jahres, erreichten nahezu alle Hopfensorten
Spitzenwerte
und übertrafen die von 1994 z. T. um das 3- bis 3,5-fache (LBP 2000b).
Von Bedeutung für die züchterische Praxis sind die aus den Untersuchungen
resultierenden
unterschiedlichen Reaktionen der Wildhopfenpflanzen auf verschiedene
Krankheitserreger. So wurde beispielsweise festgestellt, daß die Pflanzen in
unterschiedlichem
Maße auf Pseudoperonospora humuli reagierten: Einzelne Pflanzen
zeigten weder Symptome der Primär- noch der Sekundärinfektion und scheinen
damit
resistent gegenüber dem Pilz zu sein. Von dem Botrytis-Erreger Botrytis
cinerea
war nur eine einzige Pflanze befallen.
Gezielte und umfangreiche Pathogenitätstests wurden bezüglich des Befalls
durch
Sphaerotheca humili, dem Echten Mehltau, durchgeführt. Unter den 39 nach
einem
ersten Screening ausgepflanzten Individuen fanden sich nach weiteren Tests
fünf
Pflanzen aus drei verschiedenen Wildpopulationen, die nach der Infektion mit
dem
Pilz vollständig befallsfrei blieben. Dabei handelt es sich um eine nach
bisherigem
Kenntnisstand unbekannte Mehltauresistenz.
Bei den drei Beständen handelt es sich um recht unterschiedliche
Populationen, die
als eher naturnah (H-23 und „Kernpopulation“ von H-30) und weniger naturnah
(H-
18, beprobte Fläche von H-30) eingestuft werden können. Einen Rückschluß
daraus
zu ziehen, ob besondere Kennzeichen am Standort besonders „wertvolle“
Populationen
hervorbringen, ist aus den vorliegenden Ergebnissen nicht möglich.
Insgesamt konnte bei den Untersuchungen festgestellt werden, daß
hinsichtlich der
Reaktion auf Infektion mit Pathogenen eine große Diversität sowohl innerhalb
der
einbezogenen Populationen als auch zwischen ihnen bestand. Für die
Züchtungsforschung
bedeutet dies, daß zum aktuellen Zeitpunkt die resistenten Pflanzen in
Kreuzungsversuchen
mit Kultursorten eingesetzt werden, um auf diese Weise möglicherweise
neue, vollständig resistente Linien zu gewinnen.
Die Wildformen stellen somit wertvolles Ausgangsmaterial dar. Neben den
interessanten
Resistenzen verfügten zahlreiche untersuchte Pflanzen sowohl über
überdurchschnittlich
hohe Inhaltsstoffgehalte als auch über habituell geeignete Ausprägungen
bei sehr hohen Erträgen. Daneben bestehen auch aus züchterischer Sicht
unerwünschte Eigenschaften wie z. B. der meist später einsetzende Blühbeginn
der
Pflanzen, auf den SALMON & WORMALD (1921) hinweisen und der sich auch für
die
meisten nordrhein-westfälischen Wildpflanzen bestätigte.
Aus molekulargenetischer Sicht ist hinzuzufügen, daß sich die Sorten anhand
ihrer
genetischen Muster deutlich von den Wildformen abgrenzen ließen. Durch
langjährige
züchterische Bearbeitung verfügen die Sorten über genetische Eigenarten, die
bei den Wildpflanzen nicht zu finden sind. Gleichzeitig scheint jedoch die
gezielte
Züchtung der Sorten zu einer Einengung der genetischen Variabilität geführt
zu haben
– z. B. durch wiederholte Kreuzung bereits vorhandener Linien wie die
Hallertauer
Zuchtstämme. Sowohl die genetischen Analysen der nordrhein-westfälischen
Wildherkünfte als auch ähnliche Untersuchungen an amerikanischem Wildhopfen
(DAVIS 1957) konnten eine deutlich größere genetische Variabilität der
Wildpflanzen
im Vergleich zu weltweit angebauten Sorten aufzeigen. Ein Beispiel für
Eigenschaften,
die bei den Kultursorten nicht (mehr?) ausgeprägt sind, stellen die in
vorliegenden
Untersuchungen gefundenen Resistenzen des Wildhopfens dar.


Mit freundlichem Gruß

Dipl.-Ing. T. Kandler

Architekturbüro Werner
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