[HBF] Laeuterbottich und Maerzen

Tobias Kandler walaskjalf at gmx.de
Don Feb 3 12:58:11 CET 2005


Hallo miteinander,

Es ist ziemlich wenig los hier im Moment, deshalb tu ich mal was gegen das
Schweigen hier:

1. Ich versteigere meinen alten Läuterbottich gerade bei ebay. Da wir hier
nicht kommerziell sind, also nur der Hinweis. Wer möchte, kann dort
nachsehen. Einfach unter Läuterbottich suchen, es ist im Moment der einzige
;-)

2. Ich möchte Euch eine ganz interessante Biersorte vorstellen.

Schweidnitzer Märzen:

Das Bier stammt aus Schweidnitz bei Breslau in Schlesien. In Breslau gibt es
den Breslauer Ratskeller, wohl den größten mittelalterlichen Bierkeller
Europas. Hier wurde das Bier ausgeschenkt; 1332 erstmals urkundlich erwähnt.
Das Bier wurde also ab dem 14. Jahrhundert als Märzen geschätzt und war im
16. und 17. Jahrhundert durch den Schöps, ein süßes Weizenbier verdrängt
worden. Ab 1696 wurde in Schlesien wieder ein sehr dunkles, starkes und
bitteres Bier aus Gerste gebraut. Jetzt erst las ich, daß die untergärige
Brauweise in Schlesien erst ab 1870 eingeführt wurde.

Das Rezept basiert auf folgenden Überlegungen:
stark wie ein Bock, schwarz wie Stout, herb wie ein Pils
Besonders die Hopfung verdient hierbei Interesse. Ich habe mir als Grundlage
eine Rezeptvorgabe für das historische Freiberger Bier genommen, wo es
heißt, dass man für das normale Bier umgerechnet ein Pfund Hopfen je Zentner
Schüttung und für das lagerfähige Bier bis zu 1 ½ Pfund Hopfen verwandte.
Für ein in den Urkunden erwähntes sehr bitteres Bier sollte man also die
Hopfenmengen zu verdoppeln versuchen. Man war früher sehr pragmatisch und
ist bei den Hopfengaben für´s Indian Pale Ale auch so vorgegangen. Verwendet
wurde sicherlich regionaler oder böhmischer Hopfen. Da mir keine
Hopfensorten bekannt sind, die aus hier ursprünglichen Landsorten
herausgezüchtet wurden, habe ich Saazer Hopfen verwendet.
Das Maischwasser muß auch entsprechend aufgeteilt werden. Aus der englischen
Braugeschichte weiß man, dass man aus einer Charge Malz mehrere Bier braute.
Das Hauptgussbier war das stärkste.
So habe ich es auch hier gehalten. Das Maischwasser habe ich so berechnet.
Schüttung zu Hauptguß 1:3 + Wasserrückhalt der Treber beim Läutern +
Verdampfungsvolumen beim Würzekochen. Alles muß dem Hauptguß zugeschlagen
werden, da kein Nachguß aufgebracht wird.
Leider habe ich bei der Bemessung der Schüttung nicht beachtet, dass ohne
Nachguß weniger Extrakt anfällt und somit mehr Malz zugegeben werden muß.
Ich erreiche gewöhnliche eine Extraktausbeute gegenüber den Laborwerten der
Malzanalyse von 95%. Ohne Nachguß fällt der Wert auf etwa 75% ab. Damit
erreichte ich einen Stammwürzegehalt von lediglich 13% statt der anvisierten
16%.

Das Rezept ergibt sich wie folgt:

Menge: 32l
Stammwürzegehalt: 13%
Schüttung:
2,50kg Pilsner Malz
4,50kg Münchner Malz
0,20kg CaraMünch III
0,44kg Farbmalz [800 EBC]
Die Mischung aus Pilsner und Münchner Malz soll die Farbtiefe des damaligen
Basismalzes simulieren, daß sicher nicht so hell war wie heute. Das Caramalz
ist für einen malzigen Abgang. Das Farbmalz bringt die gewünschte Farbtiefe.
Es kommt ein Farbmalz mit unter 1000 EBC zum Einsatz, dafür in einem höheren
Schüttungsanteil. Ich habe es selbst geröstet; die Farbe ist dunkelbraun und
nicht so einheitlich. Wichtig: Beim Selbströsten hinterher ordentlich Wasser
aufsprühen, solange alles noch heiß ist und wieder verdampfen kann. Damit
wird das Malz etwas entbittert.
Volumen des Hauptgusses: 46,5l
Gemaischt wird einfach im englischen Einmaischverfahren. Das war im
Spätmittelalter auch hier üblich. Man lies heißes Einmaischwasser zulaufen
und alles 3-4h stehen, bevor man läuterte. Ich habe bei 64°C eingemaischt
und die Temperatur bei 66°C unter gelegentlichem Nachheizen für 1 ½ h
gehalten. Dann auf 78°C erhitzen und da sofort abmaischen. Diesen Schritt
kann man eigentlich weglassen. Ich hab´s nur wegen der geringeren
Maischeviskosität bei höheren Temperaturen gemacht. Das Läutern geht halt
schneller.

Dann folgt das Würzekochen mit den Hopfengaben. Tabernaemontanus, der mal
ein exemplarisches Bierrezept seinerzeit für die Nachwelt schriftlich
festgehalten hat, schreibt, daß der Hopfen komplett zu Kochbeginn zugegeben
wird und mindestens 1 ½ h bis 3 h gekocht wird.

Ich habe hier nur 90 min gekocht und entsprechend obiger Ausführung etwa 3
Pfund (das zweifache von 1 ½ Pfund [ Hopfenmenge für´s alte Freiberger
Lagerbier]) je Zentner Malz Saazer Hopfen mit 2,7% Alphasäure zugegeben. Da
ich Hopfenaroma im Bier mag, habe ich den Hopfen aufgeteilt und zum
Ausschlagen noch etwas beigegeben, wobei die Menge auf etwa 10% der ersten
Hopfengabe beschränkt blieb.
Also:
200g, Saaz, Pellets Typ 90, 2,7% A, 90 min kochen
25g Saaz, Pellets Typ 90, 2,7% A, beim ausschlagen
Nachisomerisierungszeit: 15min
Sicher hätte man Rohhopfen nehmen müssen bei gleicher Menge, ich hatte aber
keinen da.
Es ergibt sich ein Bitterwert von 49 IBU, mit Rohhopfen wären es 45 IBU
gewesen.

Vergoren habe ich das Märzen mit einer Lagerhefe aus der Freiberger
Brauerei. Hätte ich vorher gewusst, dass die untergärige Brauweise in
Schlesien erst 1870 eingeführt wurde, hätte ich vielleicht eine kontinentale
Alehefe genommen, also WYEAST Alt oder Kölsch oder eine andere geschmacklich
eher neutrale Hefe. Märzenbiere werden heute hingegen allesamt mit
untergärigen Hefen gebraut. Ich denke also eine Lagerhefe ist akzeptabel.

Das Bier ist inzwischen ausgetrunken und ich werde an der Rezeptur weiter
feilen, um irgendwann mal eine ausgereifte Version bei netbeer zu
veröffentlichen.
Das Bier ist ziemlich schwarz und schmeckt recht herb mit etwas Hopfen im
Abgang. Hier kommt auch das Karamelmalz ganz gut zur Geltung. Das Röstmalz
tritt erstaunlicherweise weniger zu Tage als vermutet, rundet das Bier aber
gut ab.

Beim nächsten Mal soll die Stammwürze tatsächlich 16% betragen und ich werde
wohl wieder eine Lagerhefe nehmen, weil das Bier sonst ein Zwischending
zwischen Stout und Imperial Stout wird.


Gut Sud


Tobias