WG: [HBF] deutsches Porter

Martin Stoll-Hafkus martin at karo5.de
Die Okt 1 14:49:32 CEST 2002


Moin aus Hamburg Tobias,

nach meinen Quellen taucht das erste Ur-Porter 1722 in London auf und
verbreitet sich dann rasch in ganz England. Auch in Deutschland haben
sich Brauer am Porter nach "englischer Brauart" versucht, blieben wohl
aber nicht lange dabei. Lediglich die Brauerei Hoepfner in Karlsruhe bot
zwischen 1900-1980 ein deutsches Porter an. 1998 wurde das Bier
wiederbelebt. Auch einige Gasthausbrauereien haben Porter im Programm.

Brettanomyces bruxellensis haben in einem Porter eigentlich nix zu
suchen, es sei denn du magst Sauerbier mit dem Geruch und Geschmack von
Pferdeschweiß und nassem Leder. So etwas passt eigentlich besser in ein
Lambik oder einen Pinot Noir. Dein Zitat beschreibt ein experimentelles
Bier der Hochschulbrauerei der VLB-Berlin, kein deutsches Porter mit
Tradition.

Dass Porter in Braunschweig erfunden wurde, halte ich für eine der
vielen (falschen) Brauerlegenden. Hier ist wohl eher die Braunschweiger
Mumme gemeint, ein Starkbier mit hohem Alkohol- und Zuckergehalt das im
16.-17. Jahrhundert wg. seiner Haltbarkeit in der Seefahrt ein
Exportschlager war. (Heute ist die Mumme kein Bier mehr, sondern ein
dickflüssiger Malzextrakt) 

Ein empfehlenswertes Buch über die Kulturgechichte des Porters mit
vielen Rezepten ist: Terry Foster, "Porter", Classic Beer Style Series
No. 5, Brewers Publications, USA 1992, ISBN 0-937381-28-4

Falls du nicht gleich ein ganzes Buch zum Thema kaufen willst, findest
Du im Anhang einen kleinen Artikel nebst einem erprobten Rezept

Viel Spass beim Porter brauen wünscht dir 
Martin Stoll-Hafkus


Bierklassiker: Porter
Ein Bier das kaum einer kennt, ein Klassiker um den man die Engländern
vor 250 Jahren beneidete und das man weltweit versuchte nachzubrauen. 
Porter ist, wenn man so will, das erste Bier das Mitte des 18.
Jahrhunderts im industriellen Maßstab gebraut wurde, ein Kind der
industriellen Revolution, die ausgehend von England die ganze Welt
erfaßte. Es ist das Bier der sich entwickelnden englischen
Arbeiterklasse, der körperlich schwer arbeitenden Menschen. Seinen Namen
soll es von den Lastenträgern (engl. Porter) haben bei denen es
besonders beliebt gewesen ist.
Porter ist ein dunkles, aber nicht schwarzes Bier, etwas stärker
eingebraut vorwiegend aus dunklen Malzen hergestellt und stark gehopft.
Es war das erste Bier Englands dessen Würze in einem Maischedurchlauf
gewonnen wurde. Zuvor war es üblich die Maische mehrfach zu verwenden um
verschieden starke Biere herzustellen. Die verschiedenen Würzeabläufe
wurden separat gekocht und dann als „strong“, „common“ oder „small beer“
vergoren. Den Wirten oblag es dann aus den verschieden starken Sorten
ihre Hausmarke zusammenzumischen. Bierpanscherei waren an der
Tagesordnung, so daß das neue Porter auch eine Qualitätsverbesserung
bedeutete. Porter wurde die erste nationale Biersorte die sich im ganzen
Lande verbreitete. Durch die starke Hopfung und die lange Lagerung war
es haltbarer als andere Biere und ließ sich gut transportieren.
Brauereien die Porter herstellen wollten, mußten viel Geld investieren.
Die lange Lagerung erforderte den Bau möglichst großer Lagerbehälter. Zu
Beginn waren dies riesige kupferbereifte Holzfässer die mehrere
hunderatusend Liter Bier faßten. 1814 brach einer dieser riesigen
Behälter in der Tottenham Court Road Brewery in London und acht Menschen
ertranken in den Porter Fluten, die auch die Wände der Brauerei
eindrückte. Porter war ein Bier das zwar hohe Investitionen erforderte
und gleichzeitig aber auch auch hohen Profit versprach, denn es wurde
teurer verkauft als andere Biere. So investierten hauptsächlich die
großen finanzstarken Brauereien wie Whitbread, Courage oder Barclay in
Porter, wurden so noch größer und beschleunigten den
Konzentrationsprozess in der Braubranche.
Zu Beginn des 19. Jahrhundert war der Zenith des Porter überschritten.
Mittlerweile konnte man auch helle Malze herstellen, die aufgrund des
geringeren Energieeinsatzes preiswerter waren. Bereits 1817 ließ sich
Daniel Wheeler ein Verfahren patentieren mit dem Malz bei hohen
Temperaturen zu Färbemalz geröstet wurde. Das „black patent malt“ war
geboren. Damit ließen sich auch aus hauptsächlich hellem Malz gebraute
Biere zu dunklen Bieren einfärben, die gleichzeitig einen Röstgeschmack
bekamen. Dieses Bier wurde als Stout bekannt und wird bis heute als „dry
stout“ vom Guinness Konzern unter selbigem Namen vermarktet. 
Ein zweiter Feind des Porter war der Gin. Im 19. Jahrhundert änderten
sich die Trinkgewohnheiten. Gin und Brantwein ließen sich preiswert
industriell herstellen und so wurde es billiger seine Armut und seinen
Kummer mit Branntwein als mit Porter zu ertränken.
Zwischen 1930 und 1940 verschwand das Porter aus dem Repertoire der
englischen Brauer. In Irland hielt es sich länger: 1972 lieferte die
Guiness ein letzes Faß Porter an einen Pub in Dublin aus. Dieses soll
dann (leer versteht sich) in einer feierlichen Prozession von den letzen
Anhängern des Porters zu Grabe getragen worden sein. 
Porter lebt
Doch das Porter war damit nicht gestorben, bereits zehn Jahre später
erinnerten sich amerikanische Hausbrauer an den Bierklassiker und
Gaststättenbrauereien begannen Porter in ihr Programm zu nehmen.
Wir wissen nun nicht wie das Original-Porter von vor über 300 Jahren
geschmeckt haben mag und mit welchen Rohstoffen es genau gebraut wurde.
Alle heute kommerziell erhältliche Beispiele sind nur Interpretationen
der jeweiligen Brauereien und ihrer Braumeister wie ein Porter zu
schmecken hat. Ein paar grundsätzliche Hinweise sind jedoch anhand der
Literatur verfügbar. Es ist von dunkelbrauener  Farbe durch die man noch
so gerade hinduchschauen kann. Ein rötlicher Farbstich ist perfekt. Es
ist vollmundig-malzig. Ausgeprägte Karamellnoten sollten
herausgeschmeckt werden können. Ein deutlicher Röstgeschmack gehört
nicht in ein Porter denn dann wäre es ein Stout. Zur Verwendung kommen
Pilsner Malz und Dunkle Malze im Verhältnis von 50:50
Als Bitterhopfen ist eigentlich jede Sorte geignet, wer es authentisch
möchte  greift auf Fuggle oder Northern Brewer zurück. Als Aromahopfen
sind bei den kommerziellen Bieren auch alle möglichen Varianten im
Einsatz. Häufig werden Goldings, ebenfalls Fuggle aber auch Hallertauer
und Cascade-Hopfen eingesetzt.
Authentisch ist eine obergärige Ale-Hefe z.B. eine Irish- oder London
Ale, denn eine estrig-fruchtige Note gehört in ein Porter. Wer es nicht
ganz so fruchtig mag, kann auch eine untergärige Hefe nehmen und dann
warm vergären (16-20°C). Hartes Wasser ist gur für dunkle Biere
geeignet, wer zu weiches Wasser hat, sollte es entsprechend aufbereiten.
Hier muß auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen werden.

Porter
Rezept für 135l Porter  mit 15,5%  Stw.
15,0 kg Pilsner Malz
 7,6 kg Dunkles Malz (50 EBC)
 4,0 kg Crystal Malz ( 15 EBC)
 1,9 kg Karamellmalz (120EBC)
 0,75 kg Sauermalz
 0,4 kg Chocolate Malz (800 EBC)
29,65 kg Schüttung			

500g Bitterhopfen mit 5% a-Säurre
200g Aromahopfen mit 5% a-Säurre für 10 min.
3l Hefestarter mit einer obergärigen Ale-Hefe
Hauptguß 90l, Nachguß 60l
Einmaischen bei 52°C und 20 Min Eiweißrast, Zuheizen auf 64°C und 80
Min. halten oder bis jodnormal, Abmaischen bei 77°C, 90 Min.
Würzekochen, Aromahopfen die letzen 10 Mi. zugeben. Zügig abkühlen und
bei 18°C anstellen. Hauptgärung 5-7 Tage oder bis der Restextrakt unter
5°P sinkt. zur Nachgärung in Kegs bei 6°C vier Wochen kalt lagern.
© Martin Stoll-Hafkus (erschienen in "Flaschenpost" Ausgabe 01/2001)