[HBF] Eiweiss
Hubert Hanghofer
hhanghof at netbeer.co.at
Mon Feb 5 22:35:14 CET 2001
Liebe Braugemeinde,
Hallo Bernd,
Bernd schrieb im letzten HBF:
> Da meine Sude immer so langsam vergären, habe ich mich mal fragend an
> meinen Freund - seineszeichens Braumeister bei Villacher - gewandt. Ich
> sagte ihm, dass lt. Huberts Meinung eine Eiweissrast bei den heutigen, gut
> gelösten Malzen eigentlich entfallen kann und die Rezepte daher das
> Einmaischen bei ca 57° vorsehen. Mein Freund hielt dies für eine ziemlich
> kühne Behauptung...
...Die kurze Antwort:
Gut Ding braucht Weile!
Ich kann mir gut vorstellen, daß Deine Biere besser sind als die Deines
Freundes! Warum ist eine Gärzeit (untergärig) von mind. 2 Wochen bis zur
Schlauchreife ein Problem? Wer drängt uns zum Ausstoß?
...Nun aber etwas ausführlicher:
> Vielleicht aber bilden sich dadurch aber doch zuwenig
> Aminosäuren, um der Hefe ein flottes Vergären zu ermöglichen. Immerhin
> meinte mein Freund, die Sude bei Villacher werden bei ca 6° angestellt und
> vergären in 3 - 7 Tagen! Meine Sude gären mind. 2 Wochen (Anstellen bei 18°
> nach dem Angären auf ca 10° herunterkühlen); mein aktueller Sud hat nach 10
> Tagen noch immer 8% (Stammwürze 13%). Was sagen die erfahrenen Heimbrauer -
> und besonders Hubert - dazu?
Bei Würzen aus 100% Malz -also ohne Rohfruchtanteil- können derartige
Unterschiede meiner Erfahrung nach nicht (bzw. nicht nur) auf die Intensität
der Eiweißrast zurückgeführt werden! Sicher, -es gibt (Gott sei dank) immer
noch kleine Mälzereien, die kein überlöstes Industriemalz herstellen, sodaß
intensivere Eiweißrasten angebracht erscheinen (wie z.B. die empfohlenen
Bedingungen lt. Tabelle auf S.75 in meinem Buch).
Ich habe etwa 12 Sude mit einem derartigen Malz aus Bayern (Geisenhausen)
hinter mir. Die Gerste stammte noch dazu aus einem eiweißarmen Jahrgang. Auch
ich hatte langsame Gärungen - intensivere Eiweißrasten brachte in diesem
Zusammenhang aber nur geringfügige Verbesserungen. Wirklich verblüffende
Effekte brachte hingegen eine scheinbare Kleinigkeit wie der Ausgleich eines
- durch chem. Analyse verifizierten - Mangels am essentiellen Spurenelement
Zink (Diskussion s. frühere HBFs)!
Nach vielen anderen Optimierungen (insbes. Hefemanagement, Belüftung, jedoch
NICHT Eiweißrast) liege ich bei warm geführter Obergärung im kommerziellen
"Zeitfenster", bei kalter, untergäriger Brauweise aber tw. deutlich darüber
...was mich eigentlich kaum stört -- ist doch das Ergebnis allemal besser als
das Industriegelumpe...
Ganz im Ernst: Bei ansonsten optimierten / identischen Randbedingungen dürfen
beim oft zitierten Vergleich zu großen Brauereien folgende Besonderheiten des
Brauens im Kleinmaßstab nicht vergessen werden:
1) Hefe - Anstellmenge: Liegt im HB-Bereich (Starterkulturen) oft um den
Faktor 10 unter den kommerziellen Anstellraten. Das verursacht besonders bei
kalter Gärführung eine signifikante Verlängerung, weil da die Hefevermehrung
bereits eingeschränkt ist.
2) Hefevitalität: Zu lange Lagerung, vernachläßigte Herführung, Belüftung etc.
3) Hefeadaption: Die Hefe wird nicht fortlaufend geführt und verliert daher
Ihre Anpassung an schwerer vergärbare Zucker (Maltotriose). Andersrum
betrachtet: Eine typischerweise nur für 1 Sud aus einer -mehr oder weniger
haltbaren Zubereitung (Handelsform, Dauerkultur etc.) - hergeführte Hefe,
erreicht *nie* Ihre volle Leistungsfähigkeit.
4) Konvektion: Besonders bei kalter Gärführung machen sich gegenüger großen
Gärbehältern deutlich reduzierte Strömungsverhältnisse im Kleinmaßstab
bemerkbar - und zwar durch vorzeitige Flockung und Sedimentation der Hefe.
Einfacher Versuch: Zapfen wir während der aktiven Hauptgärphase etwa 100mL
Gärprobe ab und lassen wir diese bei Gärtemperatur abgedeckt stehen, so
können wir beobachten, daß sich ein Großteil der Hefe rasch absetzt, während
sie im Gärbehälter noch in Schwebe bleibt.
***
1-3) trifft sicher nicht auf jene zu, die mit *frischer* Anstellhefe einer
Brauerei arbeiten können.
4) Gewisse physikalische Grenzen wie eingeschränkte Strömungsverhältnisse
sind nicht überwindbar, damit müssen wir leben. Allerdings können wir bei der
Hefewahl gegensteuern. Während Brauereien mit Riesen-Gärtanks dazu
übergehen, stärker flockende Hefen einzusetzen, sollten wir schwächer
flockende bevorzugen.
...Ich habe aber auch schon mit Tankhefe bessere Biere produziert als so
manche Tankbrauerei...
alles nur eine Zeitfrage!
Allzeit gut Sud!
Hubert